re:publica 14 – virtuelle Ersatzveranstaltungen
Pläne können platzen. Daran habe ich mich schon fast gewöhnt. Denn das meiste, was man im Leben theoretisch tun könnte, spielt praktisch überhaupt keine Rolle. Man verpasst es sang- und klanglos. Da komme ich eigentlich auch ganz gut mit den unverwirklichten Vorhaben klar, den Planänderungen. Doch die jüngste Planänderung beschäftigt mich nun etwas mehr als üblicherweise. Denn ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, einige Leute wiederzutreffen und andere, die ich bisher nur online getroffen habe, live auf der re:publica zu sehen.
Vor allem die Blogger*innen aus der Gesundheitswirtschaft, eine Community, die sich bei Facebook trifft und seit einigen Tagen ihre Tweets unter dem Hashtag #wehealth sammelt. Daraus ist nun leider nichts geworden. Es muss auf später verschoben werden. Ich hoffe da auf den Hauptstadtkongress, der vom 23. bis 25. Juni stattfindet und von dem man hier und im Blog des Hauptstadtkongresses mehr lesen können wird.
Außerdem hatte ich mir natürlich schon einen Plan gemacht, welche Sessions ich mir anschauen wollte und da es meine erste re:publica gewesen wäre, war ich natürlich total gespannt auf die Atmosphäre und das ganze Drumherum. Zum Glück wird so eine Internetkonferenz ganz gut im Netz dokumentiert, soweit ich das als Nichtbesucherin beurteilen kann. Deshalb möchte ich hier gerne ein bisschen wehmütig auf Netzartikel verlinken, die mir in den letzten Tagen geholfen haben, ein wenig virtuelle re:publica-Luft zu schnuppern.
Virtuelle Ersatzveranstaltungen
Los geht’s mit einem sich fortsetzenden Blogpost von Tobias Neisecke. Er ist seit 2012 Kurator der Gesundheitsthemen der re:publica und auch ansonsten stark beschäftigt mit Projekten rund um das Thema eHealth. Sein Blog heißt Medizin und Neue Medien und ist insgesamt absolut lesenswert. Hier fasst er die re:health-Sessions, also die Sessions, die sich mit Medizin beschäftigen, sehr übersichtlich zusammen und sucht übrigens noch Fotos der Sessions.
Mit den Links am Ende des Artikels lässt sich darüber hinaus wunderbar weiterforschen. So zum Beispiel über die Session von Shari Langmak, Medizinerin und Medizinjournalistin, die sich Gedanken über Joe macht, der im Jahr 2020 lebt und einen insgesamt zu ungesunden Lebensstil hat. Im Gegensatz zu uns heute, hat er jedoch eine Vielzahl technologischer und digitaler Hilfen zur Verfügung, die wahrscheinlich für ein gesundheitliches Happy End sorgen werden. Mir gefällt ihr Ansatz, mithilfe einer Story über die eHealth- und mHealth-Entwicklungen zu informieren. Einen Bericht dazu gibt es beim Bayerischen Rundfunk.
Ein guter Ausgangspunkt für weitere Expeditionen zur re:health sind die tweets, die unter dem Twitter-Hashtag #rehealth gesammelt wurden. Hier empfehlen Twitterer einzelne Sessions, kommentieren und teilen relevante Links. Twitter ist sowieso eins meiner Social-Media-Lieblinge und eignet sich hervorragend dazu, über den Tellerrand zu gucken und sich schnell über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Außerdem netzwerkt es sich dort sehr anregend. Auch jenseits der re:publica versteht sich.
Inzwischen sind auch viele Videomitschnitte der Sessions im Netz verfügbar. Dazu abonniert man am besten den Youtube-Kanal der re:publica oder folgt diesem Link. Das kann man sich natürlich nur schwerlich alles anschauen. Also Mut zur Lücke.
Veranstaltungstipps
Ich habe mir zwei Vorträge angesehen, die ich empfehlen möchte und die mit Gesundheit und Internetmedizin auf den ersten Blick nicht viel zu tun haben. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn das, was dort diskutiert wird, hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Und wie ich meine, vor allem auf den Bereich Gesundheit und Medizin. Denn die Möglichkeiten, die sich unter dem Schlagwort Big Data zusammenfassen lassen, haben einerseits massive Auswirkungen auf die Möglichkeiten darauf, medizinisch zu intervenieren und andererseits auf die Möglichkeiten personenbezogene Daten wirtschaftlich zu nutzen oder Vorhersagen zu treffen, die sich wirtschaftlich nutzen lassen. Auch personenbezogene Daten, die medizinisch relevant sind. Und das kann vom Puls bis zum Inhalt des Einkaufskorbs und dem Bewegungsprofil reichen.
Den ersten Vortrag, den ich grandios gut finde, auch wegen seiner Art, wie er Komplexes mithilfe von Geschichten erklärt und anschaulich macht, ist der von Victor Mayer-Schönberger und heißt „Freiheit und Vorhersage: Über die ethischen Grenzen von Big Data“.
Den zweiten Vortrag sehe ich in vielen Punkten kritisch, möchte ihn aber trotzdem empfehlen. Constantin Seibt versucht darin, eine neue Vision für den Journalismus zu entwickeln. In „Journalismus. Nur besser.“ polarisiert er auf mehreren Ebenen. Er begeistert mich mit einer feinsinnigen Sprache während er rhetorisch einigermaßen scheitert. Er sagt wahnsinnig Kluges in einem Gusto von Überheblichkeit gepaart mit nervigem Kleinjungencharme. Er trägt eine gut strukturierte Rede so lapidar vor, dass man sich streckenweise kaum orientieren kann. Irgendwie habe ich die ganze Zeit gedacht, dass man den Mann vor seiner Entscheidung einen Vortrag halten zu wollen, hätte schützen müssen und ihn stattdessen lieber auf ein Bier in der Kneipe hätte einladen sollen. Das Video dieser Begegnung hätte sicherlich eine ganz andere, stimmigere Qualität gehabt.
Aber auch dieser Vortrag gibt meiner Meinung nach nicht nur dringend nötige Impulse für Journalist*innen, sondern auch einen wichtigen Impuls für die Zukunft der Medizin. Es geht nämlich implizit um die Frage, was hilfreicher ist: Die Betrachtung von Fakten und die Berechnung von höchstwahrscheinlichen Heilungswegen oder die Haltung desjenigen, der die Fakten interpretiert und daraus Schlüsse zieht für den einzelnen Heilungsversuch einer einzigen Person. Also die Frage, wie viel medizinische Intervention lässt sich automatisieren, ohne dass man sich vom bestmöglichen Behandlungsergebnis verabschieden muss. Denn ähnlich wie dem Produkt Zeitung ergeht es meinem Empfinden nach auch gerade der Medizin mit ihrem „Produkt“ Heilung. Routinen in einem überregulierten System verhindern zwar den Tod des Systems, produzieren aber immer häufiger nur noch Ergebnisse, die möglichst wenig enttäuschend sind. Seibt plädiert dafür, eine Haltung der Kühnheit, Ehrlichkeit und Freundlichkeit zu entwickeln und keine Angst vor den großen und schwierigen Themen zu haben, sondern sie zu suchen.
Das lässt sich alles noch sehr viel weiterdenken, wozu ich gerade zwar große Lust hätte, aber kaum Zeit. Und deswegen schließe ich mit drei Tipps:
- sich mit dem wunderbaren neuen Reportageformat des WDR vertraut zu machen und sich den Bericht über die re:publica hier anzuschauen: transmediales Storytelling, sehr beeindruckend umgesetzt,
- sich mit den schönen Momentaufnahmen hier und hier von Britta Freith in die Atmosphäre der #rp14 entführen zu lassen und
- sich schon mal den Termin für rp15 zu notieren: 4.–8. Mai. Da möchte ich dann auch gerne zum ersten Mal zur re:publica.