Mit zwei weisen Männern über die älter werdende Gesellschaft reden
Im Vorfeld des Demografiekongresses, der am 4. und 5. September in Berlin stattfand, konnte ich ein Gespräch mit dem konservativen Vordenker Professor Meinhard Miegel und dem Geschäftsführer der Malteser Deutschland Dr. Franz Graf von Harnoncourt führen und aufzeichnen. Es galt, herauszufinden, welche Ideen die beiden zu den gesellschaftlichen Konsequenzen des vielbeschworenen demografischen Wandels haben.
Zugegeben, der Ausdruck „demografischer Wandel“ ist schon sehr stark strapaziert. Kaum ein Zeitungsartikel, der sich mit der Zukunft unserer Gesellschaft, den Herausforderungen in den Bereichen Medizin und Gesundheitswesen oder der Arbeitswelt beschäftigen, verzichtet darauf. Und so liest man eigentlich mittlerweile lieber darüber hinweg als sich eingehend mit den Merkmalen und Folgen zu beschäftigen.
Ziel des Gesprächs war aber genau das: Herauszuarbeiten, was es bedeutet, wenn sich das uns vertraute Generationenverhältnis verschiebt, das Jahrhundertelang Bestand hatte und auf dem viele unserer gesellschaftlichen Vereinbarungen fußen. Die beiden Gesprächspartner taten dann auch, was ich mir erhofft hatte: Nach den ersten Impulsfragen kam ein anregendes Gespräch in Gang. Professor Miegel und Graf Harnoncourt verstanden sich so gut, dass sie am Ende des einstündigen Treffens verabredeten, nach einer Gelegenheit zu suchen, das Gespräch weiterführen zu können.
Professor Miegel brachte großes historisches Wissen über soziale und gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrhunderte in das Gespräch ein und ordnete die aktuellen Herausforderungen so ein, dass seine Zukunftsvisionen wenig visionär wirkten, eher wie eine Wirklichkeit, der man kaum ausweichen wird können. Das, was er über die Grenzen des Wachstums sagt, lässt sich sogar auf das Bild der immer älter werdenden Gesellschaft übertragen und legt die Frage nahe: Wird es sie in der allgemein erwarteten Form überhaupt geben, die überalternde Gesellschaft? Oder ist es nicht wahrscheinlicher, dass auch hier eine Grenze erreicht wird und vielleicht sogar schon erreicht ist? Der Punkt kann kommen, an dem das durchschnittliche Lebensalter der Deutschen wieder abnimmt.
Graf Harnoncourts Kenntnisse über das Gesundheitswesen, über die Auswirkungen der zahlreichen Gesundheitsreformen und über das, was in der Versorgung von kranken Menschen wichtig ist - und zwar auf einer ganz praktischen Ebene - lieferten einen guten Bezugsrahmen, um auf die Kernfragen zu stoßen. Wie wirkt sich der Wandel aus: auf die Krankenversorgung und ihre Finanzierung, auf unseren Lebensstandard, auf den gesellschaftlichen Frieden?
Bald wurde klar: Mit Zahlen und Hochrechnungen allein kommen wir kaum weiter und auch nicht ohne die Bereitschaft, sich menschlich einander zuzuwenden. Reflexion und Umdenken sind jedoch die Voraussetzungen dafür. Auch und gerade in den Zusammenhängen, die zutiefst wirtschaftlich geprägt sind oder solchen, die immer mehr die Prinzipien der Marktwirtschaft übernehmen, wie z. B. das Gesundheitswesen.
Herausgekommen ist ein höchst anregendes Gespräch - in weiten Teilen abseits der gängigen Annahmen und Klischees - das uns allen Ideen liefern kann, wie wir den gesellschaftlichen Wandel mitgestalten wollen. Zwei Lieblingszitate möchte ich daraus wiedergeben.
Meinhard Miegel sagt:
Die immens wichtige Funktion des Gesundheitsbereichs ist eine ganz spezifische Wertschöpfung. Wenn ich aus einem kranken Menschen einen gesunden mache, habe ich eine gewaltige Wertschöpfung, vielleicht die größte überhaupt. Aber es ist eine Transferleistung und nicht zu vergleichen mit dem Bau eines Automobils. Aber auf diesen Vergleich haben wir uns eingelassen. Das halte ich für sehr problematisch.
Graf Harnoncourt sagt:
Es geht auch darum, Ressourcen möglichst verantwortungsvoll einzusetzen. Effizienz ist primär der bestmögliche Einsatz von Mitteln, also ethisch wertvoll. Marktwirtschaftliche Elemente können hilfreich sein. Aber wir müssen extrem präzise sein: Marktwirtschaftlich zu denken heißt nicht, den Markt zu vergöttern. Es geht nicht um das Mehrverkaufen von Gesundheit. Man sollte sich auch vorher überlegen, was man mit den durch Effizienz gewonnen Ressourcen macht. Wenn man Effizienz nur nutzt, um schneller zu sein oder mehr Geld zu verdienen, dann ist nichts gewonnen.
Ich danke der Malteser Deutschland gGmbH für die Möglichkeit zu diesem Gespräch. Es ist in der Broschüre „Bald waren wir jung“ abgedruckt, die anlässlich des Demografiekongresses aufgelegt wurde.
Die Fotos dieses Beitrags sind aus der verlinkten Broschüre entnommen, Urheber ist die Malteser Deutschland gGmbH.