Welche Rolle spielt das Smartphone für die digitale Gesundheit?
Während das deutsche Gesundheitssystem noch darüber nachdenkt, wie seine Zukunft aussehen könnte und die Politik um ein E-Health-Gesetz und eine flächendeckende Telematik-Infrastruktur ringt, nutzen wir alle tagtäglich und selbstverständlich das Gerät, mit dem die Zukunft dieser Branche sehr wahrscheinlich geschrieben wird. Warum das Smartphone eine wichtige Rolle für die Weichenstellung spielt und warum diese Erkenntnis, wie es scheint, nur sehr langsam Fuß fasst, darüber will ich in diesem Beitrag nachdenken. Mit diesem Text nehme ich an der Blogparade von dialog artists zum Thema Mit dem Smartphone in die Praxis teil.
Mega-Trend: Das Smartphone als Healthcare-Plattform
Ich schlage Heft 5/2015 der Zeitschrift E-Health-Com auf, Seite 27, Überschrift: „MEGA-Trends allgemein und im Gesundheitswesen“*, und schaue mir staunend das Trendranking an. 10 Trends sind bis zum Jahr 2020 identifiziert und ein Trend liest sich utopischer als der nächste. Fängt es mit Die virtuelle Visite kommt noch recht harmlos an, wird es mit Trend Nummer 3 schon deutlich gewagter: Das Smartphone ist die Healthcare-Plattform von morgen. Über weitere Trends, die von Insideables und dem Körper als Interface handeln, möchte ich an dieser Stelle nicht reden. Das geht nach meinem Geschmack zu sehr in Richtung Dystopie.
Das Smartphone wird in Zukunft also eine sehr wichtige Rolle im Gesundheitsmanagement spielen, glaubt man dem Ranking. Dass diese Vorhersage Hand und Fuß hat, wird den meisten einleuchten, die sich mit Digitalisierung beschäftigen. Mobile Geräte bergen enormes Potenzial und die meisten Start-ups im Healthcare-Sektor entwickeln deshalb mobile Anwendungen: Selftracking-Apps, Gesundheitstagebücher, Patientenedukation on the Go.
Auch Medizinprodukte-Hersteller, die klassische Produkte vertreiben, wie zum Beispiel Insulinapplikationen, entwickeln Lösungen für Smartphone und Co. Global Player der Technologiebranche wie Google oder Apple arbeiten schon lange daran, in der Healthcare-Branche mitzumischen. So ist beispielsweise das Health Kit von Apple darauf ausgerichtet, solche Gesundheits-Apps miteinander zu vernetzen, am liebsten unter Einbindung der Apple Watch.
Technische Voraussetzungen
Was fehlt, ist eine einheitliche Schnittstelle, die den Datenaustausch zwischen verschiedenen Informationssystemen ermöglicht. Die ist zwar technisch eigentlich kein Problem, aber so lange sich kein Institut um Normen innerhalb der Telematik-Infrastruktur kümmert, sind zum Beispiel die Verfechter von Health Level 7, internationaler Standards zum Austausch von Daten im Gesundheitswesen, allein mit ihren Bemühungen. Denn es fehlt, wie es scheint, der Wille zu echter Interoperabilität. Aber warum bloß? Was macht es so schwer, diesen Weg zu gehen?
Politischer Wille
Die Antwort auf diese Frage lässt sich in der letzten Anhörung zum E-Health-Gesetz im Gesundheitsausschuss des Bundestages einkreisen.
In der ersten halben Stunde zeigt sich meiner Meinung nach der Stolperstein recht deutlich. Es ist nicht die Skepsis darüber, dass sensible Gesundheitsdaten nicht sicher genug transportiert und gespeichert werden könnten, wenn alle Gesundheitsanbieter die gleiche Infrastruktur nutzen. Vielmehr geht es um die Frage, wem die Daten denn eigentlich gehören. Und diese Frage ist entscheidend.
Wem gehören die Daten?
Zurzeit gehören sie denjenigen, die sie erheben. Denjenigen, die sie betreffen – den Patienten –, wird das Recht eingeräumt, eine eigene Akte anzulegen. Ein Patientenrechtegesetz gibt es erst seit 2013. Es erlaubt den Patienten, alle Gesundheitsdaten, die über sie erhoben werden, einzusehen. Da muss ich in meiner Rolle als Patientin sagen: Vielen Dank auch!
Solange Patienten nicht Eigentümer ihrer eigenen Gesundheitsdaten sind und selbst entscheiden können, wem sie welche Informationen wann zugänglich machen, können sich meiner Meinung nach patientenbezogene Prozesse im Gesundheitswesen nicht etablieren.
Rechtliche Grauzonen
Ohne diese rechtliche Umbewertung der Datenhoheit werden wir auch keine Healthcare-Plattform in der Hand von Patienten bekommen. Dann werden im deutschen Gesundheitssystem weiterhin diejenigen, die sich mit digitaler Gesundheit auskennen, mehr oder weniger am Katzentisch sitzen, in Parallelwelten unterwegs sein und sich den Vorwurf anhören müssen, sie würden sensible Gesundheitsdaten ausschlachten, um Geld zu verdienen. Und das „alte, aber gute Gesundheitssystem“ wird sich weiterhin darauf konzentrieren, die Gesundheitsdaten vor den Patienten zu schützen.
Recht auf Schutz meiner Daten
Sämtliche personenbezogenen Daten müssen ordentlich geschützt werden, das versteht sich von selbst – ob es sich nun um Gesundheitsdaten handelt oder nicht. Auch hier bin ich mit dem Status quo sehr unzufrieden. Denn ich weiß nicht, was Google und Apple oder mein Provider mit dem anstellen, was sie über mich wissen. Geschweige denn, was die Sicherheitsbehörden tun. Solange sich das nicht ändert, möchte ich ehrlich gesagt auch nicht, dass mein Smartphone zur Healthcare-Plattform wird. Denn dann bin ich es ja immer noch nicht selbst, der ihre eigenen Daten gehören.
*Das Ranking basiert auf den Ausführungen von Jorge Juan Fernandez Garcia, Direktor eHealth und Health 2.0 des Hospitals Sant Joan de Deu in Barcelona. Grundlage für die Darstellung in der Zeitschrift E-Health-Com scheinen diese Slides zu sein.
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